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  • Hallo BR-Kolleginnen und BR-Kollegen,


    könnte mal wieder eure Hilfe brauchen.


    Folgender Sachverhalt. In unserer Firma ist der AG vertraglich dazu verpflichtet jeden Mitarbeiter in einer betrieblichen Altersvorsorge zu versichern. Das hat er in den letzten zehn Jahren aber bei ca. 40 Mitarbeitern "vergessen". Dem alten BR war die Geschichte scheinbar zu heiß oder sie wollten sich einfach nicht drum kümmern. Also hat der neue pflichtbewußte BR den AG darauf hingewiesen. Das hat natürlich viel Staub aufgewirbelt, denn die Nachversicherung kostet den AG eine nette Stange Geld.


    Man hat uns daraufhin damit erpreßt, daß wenn wir keine Betriebsvereinbarung zum Thema Altersvorsorge unterschreiben, dann bekommen unsere Mitarbeiter nur den im Tarifvertrag festgelegten Sockelbetrag zwischen 20% und 50 % des Weihnachtsgeldes.


    Wir haben uns daraufhin einen Rechtsanwalt genommen und mit ihm eine unterschriftsreife Fassung einer Betriebsvereinbarung "Altervorsorge" erstellt. Diese wurde auch so unterschrieben.


    Daraufhin sicherte uns unser AG die Zahlung des Weihnachtsgeldes zu 100 % zu.


    Dieses Spielchen mit der Erpressung läuft schon über zehn Jahre. Unser AG weißt dann jedes Jahr darauf hin, daß es sich um eine einmalige Zahlung handelt und kein Rechtsanspruch darauf besteht.


    Jetzt ist aber in unserer Lohnabrechnung ein Schreiben dabei, in dem verlangt wird, daß man in Zukunft auf etwaige Ansprüche wegen dem Weihnachtsgeld verzichtet. Unterschreibt man nicht, so muß man das Weihnachtgeld zurückbezahlen.


    Schätze unser AG hat Angst, daß ein Arbeitsgericht die "betriebliche Übung" feststellt.


    Oder seht ihr das anders? Wie sollen wir reagieren? Unser AG versucht zur Zeit eh alles um unseren BR in einem ganz schlechten Licht dastehen zu lassen.


    Vielleicht hat ja einer von euch eine Idee. Danke im Voraus.


    Kakelo :)

  • Hallo KAKELO,


    genauso sieht es aus. Diese Fälle kommen im Zusammenhang mit dem Insitut der betrieblichen Übung durchaus mal vor.


    Sinn und Zweck dieser Machenschaften soll somit sein, keinen Vertrauenstatbestand zu schaffen, auf den sich der AN im Rahmen der betreiblichen Übung berufen könnte.


    Zu: Unser AG weißt dann jedes Jahr darauf hin, daß es sich um eine einmalige Zahlung handelt und kein Rechtsanspruch darauf besteht. > Im Arbeitsrecht wird diese Klausel "Freiwilligkeitsvorbehalt" genannt. In diesen Fällen muss der AG unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er sich durch die Leistung nicht rechtlich binden möchte. Es gibt diesbezüglich keinen Formzwang. Er kann es mündlich äußern oder zB durch ein Rundschreiben oder gegenüber jedem einzelnen Arbeitnehmer.
    Dagegen kann man somit nichts machen. Die Rechtsprechung sieht diese Möglichkeit als zulässig an.


    Das Schreiben, welches die Rückzahlung verlangt, sofern nicht zugestimmt wird, ist in meinen Augen sittenwidrig. Eine betriebliche Übung kann durch eine Änderungskündigung oder durch eine Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer herbeigeführt werden. Diese Vereinbarung muss natürlich ohne unlauteren Zwang zustande gekommen sein.



    Was Dein Chef abermöglicherweise verkannt hat, ist folgendes: Du hast geschrieben: Daraufhin sicherte uns unser AG die Zahlung des Weihnachtsgeldes zu 100 % zu.


    > Wenn er sowieso schon aufgrund dieser Übereinkunft verpflichtet ist, zu zahlen, kommt es auf das Institut der betrieblichen Übung nicht an. Es ist dann subsisiär.


    Wie genau habt Ihr diese Vereinbarung denn fixiert ?


    Schönen Gruß,


    Jost

  • Hallo Jost,


    danke für deine Antwort. Seit ca. 25 Jahren fällt unserem AG immer kurz vor Weihnachten etwas ein, was er ändern oder anders machen will und erpresst die Belegschaft dann damit. Wenn ihr das und das nicht macht, dann gibt es nur den im Tarifvertrag festgelegten Satz des Weihnachtsgeldes zwischen 10 und 50%.


    Dieses Jahr war es mit der Betriebsvereinbarung "Altersvorsorge". Klare Ansage unseres Vorstands: "Wenn ihr diese BV nicht unterschreibt, dann gibt es kein freiwilliges Weihnachtgeld"


    Wir haben diese BV nach Absprache mit einem von uns beauftragten Rechtsanwalts geschlossen. Daraufhin hat die Firma, wie jedes Jahr den üblichen Aushang getätigt in dem steht, daß sie das Weihnachtsgeld zu 100% bezahlen. In diesem Aushang weisen sie wie jedes Jahr ausdrücklich darauf hin, daß es sich um eine freiwillige Leistung handelt und sich daraus kein Rechtanspruch ableiten läßt. Soweit ist auch alles klar.


    Sie haben aber in der Gehaltsabrechnung November jetzt ein Schreiben beigefügt, in dem sie jeden Einzelnen nochmal auf die Tatsache hinweisen, daß es sich um eine freiwillige Leistung handelt, obwohl sie das in ihrem Aushang ja klar und deutlich schreiben. Und er soll mit seiner Unterschrift mehr oder weniger den Empfang des Schreibens bestätigen. Also, daß er über den Sachverhalt informiert wurde.


    Der Witz an der Geschichte ist aber, das sie den Mitarbeitern in diesem Schreiben damit drohen, wenn sie dieses Schreiben nicht unterschreiben, wird ihnen im nächsten Monat der freiwillige Teil des Weihnachtsgeldes wieder abgezogen.


    Was sind das für Umgangsformen oder was hat das bitte mit vertrauensvoller Zusammenarbeit zu tun?


    Hab mittlerweile mit ein paar Leuten geredet, die alle gesagt haben, daß man das ruhig unterschreiben kann, da man eigentlich nur den Empfang bestätigt.


    Wie siehst du die Sache?




    Gruß Kakelo

  • Hallo Kakelo!


    Auch, wenn ich nicht Jost bin, gebe ich dir mal meine Einschätzung mit:
    So bitter es ist, aber ich befürchte, dass der AG damit im grünen Bereich ist: Solange es nur um freiwillige Zuwendungen geht, können die auch an Bedingungen gekoppelt sein. Das ist alles andere als vertrauensvolle Zusammenarbeit, aber rechtlich ist er abgesichert...


    Grüße,
    dillan.

  • Hi Dillan,


    danke für deine Einschätzung. Und du hast Recht. Mein AG verlangt die vertrauensvolle Zusammenarbeit, wenn es aber darum geht, dass er mit uns zusammenarbeitet. Fehlanzeige! Einfach nur eine Sauerei, aber rechtlich einwandfrei.


    Danke für eure Hilfe!


    Gruß Kakelo

  • Hallo,


    vertrauensvolle ZUSAMMEN arbeit sieht anders aus. Hier kann man es wohl am ehesten dahin umdeuten: Der Arbeitgeber möchte darauf vertrauen können, dass man sich gegen die von ihm veranschlagten Maßnahmen nicht wehrt und alles so hinnimmt wie er es für angemessen hält.


    Was man nicht vergessen darf, ist, dass dererlei Maßnahmen natürlich in der Belegschaft sehr übel aufstoßen. Wer hinter dieser Maßnahme steckt, dürfte für jedermann offensichtlich sein.


    Es ist oben bereits schon einmal angemerkt worden: In diesem Fall halte ich die Öffentlichkeitsarbeit des BR für eine sehr wichtige, vielleicht sogar die wichtigste Methode zur Gegenreaktion.


    Gruß,


    Lorenz

  • Hallo,


    letztlich schneidet sich der Arbeitgeber mit diesen Maßnahmen in der Tat ins eigene Fleisch. Wie Lorenz bereits sagt: Man sieht genau, dass nicht der BR etwas davon hat - die Vorteile fließen unmittelbar dem Arbeitgeber zu .


    Die Kollegen werden sich ihren Teil denken und die Motivation wird darunter leiden. Schäden dieser Art sind nur schwer, manchmal auch gar nicht zu beseitigen und so mancher Arbeitgeber würde sich in Anbetracht der entstandenen Lage im Nachhinein tunlichst wünschen, dass er mit dererlei Maßnahmen und Spielchen gar nicht erst angefangen hätte.


    Vertrauliche Zusammenarbeit kann auf dem Papier bestehen. Unter solchen Umständen wird niemand so naiv sein und sich keine Gedanken zur Loyalität des Arbeitgebers machen.


    Gruß


    Sascha

  • Hallo, KAKELO,


    auch das weist darauf hin, dass dem AG sehr daran gelegen ist, nicht in den Bereich der betrieblichen Übung zu gelangen.


    Man will hier die Möglichkeit nutzen, die Unklarheiten des Freiwilligkeitsvorbehalts zu 100% aus dem Weg zu räumen. Auf diese Art und Weise kann kein Arbeitnehmer geltend machen, dass sich der Arbeitgeber ihm bzw seinen Kolegen gegenüber ausreichend klar darüber ausgedrückt hat, dass es sich hier lediglich um eine freiwillige Leistung handeln soll. Rechtliche Schritte sind somit aussichtslos.


    Schwankungen im Bereich des Weihnachtsgeldes sind zulässig, solange eben keine betriebliche Übung vorhanden ist. Der Standardfall, der in der Literatur dazu oft zu finden ist, ist der, dass der Arbeitgeber die Höhe der Zahlung vom individuellen Geschäftsergebnis des endenden Jahres abhängig macht. Dies wird sodann als sog. stillschweigender Freiwilligkeitsvorbehalt bezeichnet.


    Insoweit kann man fluchen wie man will. Der Arbeitgeber verstößt damit gegen kein Gesetz.


    Mit nachdenklichen Grüßen,


    Jost

  • Hallo,


    für alle die es interessiert: Am 8. Dezember wird das BAG sich wieder einmal mit genau so einem Fall auseinandersetzen müssen. Dort wurde im Arbeitsvertrag auch der Passus "frei und ohne jegliche Verpflichtung" verwendet. Das Arbeitsgericht war der Ansicht, dass damit nicht ausreichend deutlich gemacht worden ist, dass es sich hier um eine unverbindliche Zahlung von Weihnachtsgeld handeln soll. Das Landesarbeitsgericht hat dieses Urteil wiederum aufgehoben, hat aber die Revision aufgehoben.


    Mal sehen, was das BAG am kommenden Mittwoch aus der Sache machen wird.


    Bis dahin,


    Sascha

  • letztlich schneidet sich der Arbeitgeber mit diesen Maßnahmen in der Tat ins eigene Fleisch. Wie Lorenz bereits sagt: Man sieht genau, dass nicht der BR etwas davon hat - die Vorteile fließen unmittelbar dem Arbeitgeber zu .


    Die Kollegen werden sich ihren Teil denken und die Motivation wird darunter leiden. Schäden dieser Art sind nur schwer, manchmal auch gar nicht zu beseitigen und so mancher Arbeitgeber würde sich in Anbetracht der entstandenen Lage im Nachhinein tunlichst wünschen, dass er mit dererlei Maßnahmen und Spielchen gar nicht erst angefangen hätte.

    Absolut!
    Aber ist wohl im Einzelfall eine Abwägung, die ein jeder AG vornehmen muss, und der ein oder andere wird vermutlich zu dem Schluss kommen, dass die Arbeitsmarktsituation es ihnen erlaubt, auf die Stimmung in der Belegschaft zu pfeifen, denn die vereinbarte Arbeitsleistung wird so oder so erbracht und für den Rest sorgt die Sorge um den Arbeitsplatz... X(


    Grüße,
    Karsten

  • Danke für eure Antworten.


    Meinem AG ist die Stimmung der Mitarbeiter ziemlich egal und wenn einem was nicht paßt, dann kann er jederzeit gehen. Der Arbeitsmarkt und die Angst der Leute um ihren Arbeitsplatz gibt ihm die Macht dazu.


    Und wenn irgendjemand was sagt, dann holen wir für viel Geld einen Motivationstrainer der die Belegschaft wieder aufmuntern und zum weitermachen annimieren soll.


    Hoffentlich geht das so nicht weiter. Aber ich schätze es wird eher noch schlimmer statt besser.


    Trotzdem danke an alle.


    Gruß Kakelo

  • Hallo KAKELO,


    ja, wer kennt das nicht . Gerade in Betrieben, in denen viele lediglich auf Aushilfsbasis tätig sind, ist das ein äußerst beliebtes Argumenationsmuster. Korrespondierend dazz die Floskel " Jeder ist ersetzbar" .


    Die Turbulenzen auf dem Arbeistmarkt haben diese Argumentation mit der Angst erst möglich gemacht. Das ist auch richtig. Vor allem ältere Mitarbeiter stehen sodann vor dem Problem, unter Umständen für den Rest ihres Erwerbsalters keinen oder lediglich noch einen Job zu finden, der die Gehaltsgewohnheiten zum Teil beträchtlich unterschreitet.


    Das ist alles richtig.


    Nur eine Sache will ich beim besten Willen nicht glauben: Einen Mitarbeiter, der innerlich gekündigt hat, wird sich nicht mehr motivieren lassen ; egal wie sehr sich der beste Trainer auf dieser Welt auch anstrengen wird. Der Mitarbeiter wird es sicherlich vorgeben, um nicht noch mehr Angriffsfläche für einen möglichen Rausschmiss zu liefern . Die Realität sieht anders aus.


    Wehe dem, der meint, sein Personal auf derart einfache Art und Weise steuern zu können. . Das mag eine Zeit lang klappen - das will ich gar nicht leugnen. Aber die Arbeitnehmer werden es auf Dauer nicht hinnehmen und sich widersetzen. Auf ihre Weise - welche das sein wird, kann man pauschal nicht sagen. So mancher Arbeitgeber wird merken, dass man das Spielchen dann nicht alleine, sondern mit vielen anderen zusammen spielt.


    Viele merken es aber erst dann, wenn sie schon längst die Kontrolle über die Situation verloren haben. Einzelne Personen mögen austauschbar sein, aber keine einzelenen ABteilungen ingesamt ; und die gesamte Belegschaft schon einmal gar nicht. Jeder Betrieb braucht erfahrenes Personal ; diese Erkenntnis setzt sich immer mehr durch, vor allem dann, wenn die Bewerberschreiben auf eine ausgeschriebene Stelle nicht mehr so zahlreich eingehen.


    Gruß,


    Jost

  • Hallo Fritz,


    das ist richtig. Aber man kann nicht unbedingt einen VErgleich anstellen. Dieser Freiwilligkeitsvorbehalt ist vor dem Hintergrund betrachtet worden, dass es hier um eine Klausel ging, die für eine Vielzahl von Arbeitsverträgen bereits vorformuliert war. Aus diesem Grund fand hier § 307 Anwendung, so dass hier die Grundsätze der Beurteilung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Zuge kamen. Innerhalb der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB wird nach anderen Beurteilungskriterien verfahren wie bei der Auslegung eines Individualarbeitsvertrages.


    Schönen Gruß,p


    Sascha

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