kein schriftlicher Ausbildungsvertrag ?

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  • Hallo,


    ein Bekannter von mir hat vor einigen Tagen ein Bewerbungsgespräch gehabt. Er möchste eine Ausbildung als KFZ-Mechatroniker beginnen. Es lief alles gut für ihn und man hat ihm am Telefon auch schon gesagt, dass er einer derjenigen sein kann, die ab Sommer 2010 im Betrieb eine Ausbildun beginnen können. Sein Vater war sehr happy darüber und ließ auch gleich die Korken knallen. Mein Freund ist sehr misstrauisch, weil er ja gar keinen Vertrag unterschrieben hat. Sein Vater meinte daraufhin, dass das nicht so wichtig sein. Durch die mündliche Zusage sei der Vetrag in jedem Fall geschlossen worden. Die "Feinheiten" kann man dann immer noch festhalten. Aber es sei soweit alles in festen Tüchern.



    Stimmt das ?

  • Hallo Arbenra,


    sofern es zu einer mündlichen Zusage gekommen sein sollte, ist dies bereits als wirksame Einigung über das Ausbildungsverhältnis zu werten. Zwar wird in § 11 BBiG festgeschrieben, dass eine Niederschrift über die wesentlichen Bestandteile des Ausbildungsverhältnisses anzufertigen ist. Das BAG ( BAG NZA 1998, S: 37 ff.) hat indes entschieden, dass § 11 BBiG keine gesetzliche Formvorschrift darstellt, sondern aufgrund seiner lediglich deklaratorischen Bedeutung nicht der Wirksamkeit des VErtrages entgegensteht.



    Schönen Abend,


    Sascha

  • Hallo allerseits,


    das ist in Bezug auf den Vertragsschluss durchaus korrekt.


    Andererseits sollte der Ausbildungsbetrieb § 11 BBiG nicht unterschätzen. § 99 I Nr. 1 und Nr.2 BBiG ahnden die Nichtbeachtung im Sinne einer Ordnungswidrigkeit. Das BAG ( BAG NZA 2001 S. 150) hat in einem ähnlich gelagerten Fall auch einen Schadensersatzanspruch zugunsten des Azubis bejaht.


    Demnach sollte die Vorschrift nicht pauschal als "deklaratorisch" abgehandelt werden. Das wird ihrem Gehalt nicht ganz gerecht ;)

  • Stimmt, Lorenz. Da hast Du absolut recht. Oftmals entsteht der Anschein, als dass die Regelung mehr oder weniger unbedeutend sei und aus diesem Grund nicht zu beachten ist, nur weil der Wirkungsgrad ein anderer ist.



    Gerade dann kann es schnell einmal zu tückischen Fehlern kommen ;)

  • Hallo zusammen,


    unabhängig vom Gesetz, steht doch das Problem der Beweislast im Raum.


    Der (Vielleicht-)Azubi muss beweisen, dass ihm am Telefon die Stelle so zugesagt wurde, dass der Ausbildungsvertrag als wirksam geschlossen angesehen werden kann.


    Gruss
    Björn

  • Hallo, liebes Forum!
    Leider hat -trotz der Richtigkeit der o.g. Aussagen- Björn vollkommen recht: Solange ausschließlich am Telefon eine (möglicherweise mehrdeutige) "Bestätigung" gegeben wurde, hat Arbenras Freund nichts in der Hand. Grundsätzlich ist zwar ein Vertrag zustande gekommen, aber fühlt sich der potentielle Arbeitgeber -aus welchem Grund auch immer- nicht gebunden, dann dürfte mangels Beweisbarkeit auch ein arbeitsgerichtlicher Prozess hier leider nicht weiterhelfen.
    Im übrigen sollte wohl auch nicht gänzlich unerwogen bleiben, dass ein Ausbildungsverhältnis, dass "durch Gerichtsurteil" zustande kommt, nicht unbedingt als die ideale Voraussetzung für ein angenehmes Arbeitsverhältnis zu bezeichnen sein dürfte.


    Freundliche Grüße,
    F.Celeste

  • Im übrigen sollte wohl auch nicht gänzlich unerwogen bleiben, dass ein Ausbildungsverhältnis, dass "durch Gerichtsurteil" zustande kommt, nicht unbedingt als die ideale Voraussetzung für ein angenehmes Arbeitsverhältnis zu bezeichnen sein dürfte.

    Das ist aber mal sehr schön ausgedrückt. Das ging aus meinem Vorposting leider nicht deutlich genug hervor.


    Gruss
    Björn

  • Hallo,


    das ist vollkommen richtig. Eine Ausbildungsverhältnis vor Gericht beginnen ... in der Haut wollte ich, sofern der AG sich tatsächlich noch in der Lage sehen sollte, dieses zu unterstützen, nicht stecken. Ich denke mal, dass eben diese Lage auch jene ist, die dem Schriftformerfordernis des § 11 BBiG den Status eines Tatbestandes eingebracht hat, der nach der Recht der Ordnunsgwidrigkeiten abgehandelt werden kann. Denn der Fall, dass sich im Nachhinein vielleicht noch doch noch ein Bewerber meldet, der eigentlich doch besser zur Stellenbeschreibung passt, wird sicher des öfteren einmal in der Praxis vorkommen.


    Nur: Es gibt ja auch eine Kehrseite. Man muss ja auch einmal an die Situation des Azubis denken: Für ihn ist die Beantwortung der Frage auch nicht uninteressant in Bezug auf die Frage: Habe ich jetzt eine Ausbildungsstelle ?`Muss ich weiter suchen ? Was ist, wenn ein anderer AG mir ebenfalls zusagt; kann ich dieser Stelle dann ebenso zusagen und mir dann womöglich die "Rosine" herauspicken ?


    Dass man aufgrund der mündlichen Abrede unter 4 Augen bzw Ohren nicht wirklich viel in der Hand hat, wenn es darauf ankommt, die Einigung nachzuweisen, ist vollkommen korrekt. Dass der Azubi weiterhin bemüht sein sollte, diese Zusage zeitnah in Schriftform gießen zu lassen, ist auch sehr sinnvoll. Den Zusatz hätte ich am besten auch sofort mit dazugeschrieben.


    Man lernt nie aus,


    Sascha

  • [...]Denn der Fall, dass sich im Nachhinein vielleicht noch doch noch ein Bewerber meldet, der eigentlich doch besser zur Stellenbeschreibung passt, wird sicher des öfteren einmal in der Praxis vorkommen. [...]


    Dass man aufgrund der mündlichen Abrede unter 4 Augen bzw Ohren nicht wirklich viel in der Hand hat, wenn es darauf ankommt, die Einigung nachzuweisen, ist vollkommen korrekt. Dass der Azubi weiterhin bemüht sein sollte, diese Zusage zeitnah in Schriftform gießen zu lassen, ist auch sehr sinnvoll. Den Zusatz hätte ich am besten auch sofort mit dazugeschrieben.

    Ein Ratschlag, den man wohl nicht oft genug ans jeweilige Herz legen kann.


    Arbenra:
    Dein Beitrag ist ja nun schon einige Zeit alt. Gibt es denn mittlerweile neue Entwicklungen?


    Freundliche Grüße,
    F.Celeste

  • Hallo Fritz,


    vollkommen richtig :)


    Wichtig war mir beim Verfassen meines Beitrages lediglich, dass man bei der Betrachtung der Vorschrift nicht die Perspektive dejenigen außer Acht lässt, der eigentlich durch § 11 BBiG geschützt werden soll: Den potentiellen Auszubildenden selbst ;)


    Die Lage ist generell misslich - man hat eine mündliche Zusage und wenn man darauf vertraut, es aber dann doch nicht klappt, ist man auf beweisrechtlicher Ebene der Dumme. Das ist bei Arbeitnehmern nicht anders. In diesem Fall schreibt § 2 Nachweisgesetz selbiges für Arbeitsverträge vor.


    Schönen Gruß,


    Sascha

  • Hallo,


    die dritte Komponente wäre: Auch für den AG ist es wiederum misslich, wenn er einen Azubi, den er für hinreichend geeignet hält am besten im Juli an einen anderen AG verliert und keinen Nachweis diesbzüglich hat :)


    Einigen wir uns doch einfach: Situationen, in denen Veträge nicht eingehalten werden, sind generell sehr unangenehm für beide Seiten 8)


    Aus diesem Grund ist die Regelung des § 11 BBiG durchaus vernünftig und erhält meine vollste Zustimmung.


    Gruß,


    Jost

  • Wow !


    Hätte nie gedacht, dass der Thread so abgeht - aber danke - finde ich sehr interessant, Euren Streit hier :)


    Spaß beiseite: Es hat bei meinem Kumpel alles gut geklappt. Der Chef war sehr interessiert an ihm ; kein Wunder - bei dem Notendurchschnitt :whistling: ... . Einige Tage später hatte er den schriftlichen Ausbildungsvertrag in der Tasche.


    Nach dem was Ihr so alles geschrieben habt, hat er ja viel Glück gehabt



    Schöne Grüße und noch mal vielen Danke für die vielen Antworten,


    Till

  • Hallo Till!


    Dass das mit dem Ausbildungsvertrag deines Freundes alles so gut geklappt hat freut mich.
    Wahrscheinlich kann es aber für den weiteren Verlauf seines Arbeitslebens alles andere als schaden, wenn du ihm noch einmal einbläust, dass eine schriftliche Fixierung immer Gold wert ist.


    Freundliche Grüße,
    F.Celeste

  • Hallo Fritz,


    das ist selbstverständlich durchaus richtig. Aber ich habe in meinem Berufsleben auch die Erfahrung machen müssen, dass der Mangel schriftlicher Fixierungen nicht unbedingt auf die Schuld des ( evtl. in Frage kommenden ) Arbeitnehmers zu sein braucht.


    Viele Arbeitgeber scheuen dafür zurück, da sie sich erst dann festlegen wollen, wenn sie weitere Gewissheit haben, dass doch kein besserer Azubi vorbeischaut. Sie wollen sich sozusagen "alle Möglichkeiten offen halten". In diesem Fall hat er nun einmal schlichtweg Pech gehabt, wenn der Azubi sich etwas anderes sucht.

  • Hallo Dienstag!


    Du hast vollkommen recht: Die mangelnde Fixierung kann sowohl in den Verantwortungsbereich des (potentiellen)AN, wie des (potentiellen) AG oder sogar beider fallen. Dein Beispiel zeigt, dass beide Parteien ganz gut beraten sind, auf eine solche zu bestehen. Für eine Hintertürenoption kann keiner Verständnis vom gegenüber erwarten, vor allem dann nicht, wenn es faktisch eine Zusage gibt und es um solch bedeutende Themen geht.


    Freundliche Grüße,
    F.Celeste

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