Zeitgewähr bei Arztbesuch

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  • Hallo zusammen,


    ich arbeite in einem Unternehmen das dem Tarifvertrag der IG BCE angehört. Im Manteltarifvertrag steht:


    "Das dem Arbeitnehmer Freizeit wie folgt zu gewähren ist: bei ärztlicher Behandlung, die nach ärztlicher Bescheinigung während der Arbeitszeit notwendig ist, für die als hierfür erforderlich nachgewiesene Zeit."


    Meine Frage ist folgende. Über Jahre wurde in solchen Fällen den Mitarbeitern auch die "Wegzeit" zum und vom Arzt gutgeschrieben. Unser neuer Standortleiter hat von jetzt auf heute beschlossen, das nur die tatsächliche Zeit des Aufenthaltes beim Arzt gewährt wird.


    Kann er das so machen? Aus dem Satz im Manteltarifvertrag kann ich das nicht so genau aufklären.


    Vielen Dank im voraus und ein schönes Wochenende...

  • Hallo dedhia,


    ganz sicher bin ich mir auch nicht. Aber eigentlich muss auch die Wegezeit für den Arztbesuch mit abgegolten werden. Es bringt ja niemandem etwas, wenn man den Arzt zwar besuchen kann; letztlich aber gar nicht dort ankommen kann.


    Gruß,


    Jost

  • Im Manteltarifvertrag steht:


    "Das dem Arbeitnehmer Freizeit wie folgt zu gewähren ist: bei ärztlicher Behandlung, die nach ärztlicher Bescheinigung während der Arbeitszeit notwendig ist, für die als hierfür erforderlich nachgewiesene Zeit."


    Ist das tatsächlich die wörtliche Formulierung aus dem Tarifvertrag? Das kommt mir merkwürdig vor, da doch die Gewährung der Freizeit nicht der strittige Punkt sein dürfte, sondern die Entlohnung (umgangssprachlich; Die Zeitgutschrift). (der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer ja in der Regel gar nicht daran hindern, zum Arzt zu gehen, er hat im die Freistellung zu gewähren).


    Diese tarifvertraglichen Regelungen sind Ausgestaltungen des § 616 BGB. Dieser regelt (auch wenn es immer wieder anders behauptet wird) nichts weiter als dass der Arbietnehmer in der Regel nicht den Anspruch auf Arbeitsentgelt verliert, wenn ihm nach den Grundsätzen von Treu und Glauben die Arbeitsleistung nicht zuzumuten ist. Allerdings ist dieser Paragraph "abdingbar", man kann also vereinbaren, dass er nicht für das Arbeitsverhältnis gültig ist. Und genau diese Regelung wird hier im Tarifvertrag getroffen, indem der § 616 durch eine eigene Regelung ersetzt wird.


    Warum diese lange Ausführung? Weil es eben um den Entgeltanspruch geht und nicht um eine Zeitgutschrift. Und insofern führt die Fragetsellung in die falsche Richtung. Es ist also nicht die Behandlungszeit mit oder ohne Wegezeit gutzuschreiben, sondern lediglich die ausgefallene Arbeitszeit. Die Wege und die Behandlungszeit sind also nur insoweit gutzuschreiben, wie sie auch unvermeidlich in die Arbeitszeit fallen. Tun sie das aber, so sind sie nach diesen Regelungen gutzuschreiben.


    Bei Gleitzeit mit Kernzeit wäre übrigens davon auszugehen, dass nur entfallende Kernzeit zu vergüten wäre, da diese per se nicht nachgeholt werden könnte.

  • Hallo b.ruhigend,


    das bedeutet also, dass die Freistellung nur dann für zulässig gehalten werden darf, wenn der Besuch unvermeidlich in der Arbeitszeit ereldigt werden kann ? Bspw weil es ein Notfall ist oder ein Facharzt sagt, dass er nur zu diesem Zeitpunkt eine Behandlung anbieten kann ?


    MfG,


    Horst

  • das bedeutet also, dass die Freistellung nur dann für zulässig gehalten werden darf, wenn der Besuch unvermeidlich in der Arbeitszeit ereldigt werden kann ?


    Ja sicher! Im hier geschilderten Fall steht es ja auch so im TV:

    Das dem Arbeitnehmer Freizeit wie folgt zu gewähren ist: bei ärztlicher Behandlung, die nach ärztlicher Bescheinigung während der Arbeitszeit notwendig ist, für die als hierfür erforderlich nachgewiesene Zeit.


    Und auch ansonsten sollte klar sein, dass ein Freistellungsanspruch grundsätzlich nur dann besteht, wenn der Arbeitsausfall unvermeidlich ist. Der Arbeitsvertrag dient ja nicht vorrangig der ungestörten Freizeitgestaltung des Arbeitnehmers, sondern der Gewinnmaximierung des Arbeitgebers.

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