BAG legt EuGH Rechtsprechung zur Mehrfachbefristung zur Überprüfung vor

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  • Hallo, Ihr LIeben,


    in diesem Thread soll es um folgendes Urteil gehen: BAG, Beschluss vom 17.11.2010, 7 AZR 443/09 (A)


    Im konkreten Fall geht es um eine Justizangestellte, die in den Jahren 1996 - 2007 insgesamt auf der Grundlage von 13 befristeten Arbeitsverträgen gearbeitet hat. Ein sachliche Grund i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG ist nach derzeitger Rechtsprechung dann gegeben, wenn ständig Arbeitskräfte ausfallen und der Vertretungsbedarf statt durch jeweils befristet eingestellte ebenso durch unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer abgedeckt werden könnte. Einzig und allein entscheidend ist in diesen Fällen derzeit, dass im Zeit des Vertragsschlusses tatsächlich ein Befristungsfall vorgelegen hat.


    Nach § 5 Nr. 1 der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 (Rahmenvereinbarung) sind die Mitgliedstaaten der EU verpflichtet, Missbrauch im Rahmen von mehrfachen Befristungen durch geeignete Maßnahmemn zu verhindern.


    Wie steht ihr zu diesen Fällen, in denen tatsächlich permanent ein Vertrtungsbedarf existent war ?

  • Hallo Tom,


    schon kniffelig, irgendwie. Auf der einen Seite ist es sicherlich notwendig, stetig Perosnal zu haben, welches einspringen kann, wenn wieder einmal ein Vertretungsfall eintritt. Andererseits kann einem die betroffene Mitarbeiterin nur leid tun, wenn 13 Jahre in stetiger Ungewissheit leben zu müssen, ob man dann nun endlich einmal eine Festanstellung erlangen wird oder nicht, ist mit Sicherheit alles andere als ein Zuckerschlecken. Auf der Gegenseite kann man sich natürlich auch fragen, warum die Angestellte sich 13 mal dazu hat hinreißen lassen, immer wieder bei dieser Behörde anzuheuern. Wäre es nicht auch möglich gewesen, sich innerhalb dieser Zeit auf eine andere Stelle bei einem anderen Arbeitgeber zu bewerben, gerade wenn man weiß, dass die nächste Befristung eigentlich nur noch auf sich wartzen lässt ?


    In meinen Augen kann ein Missbrauch lediglich dann vorliegen, wenn, abgesehen von den Vertretungsfällen Konstellationen offensichtlich sind, aus denen sich ergibt, dass andere Personen bei der Stellenbesetzung dieser Mitarbeiterin gegenüber bevorzugt behandelt worden sind.


    Aber andere Sichtweisen sind sicherlich auch gut möglich.


    Bis denne,


    Sascha

  • Wow ! 13 Befristungen sind echt mal eine Ansage.


    Ich wusste gar nicht dass die Rechtsprechung da so offen ist. Von einer Bekannten aus dem Pflegebereich weiß ich, dass einfache Mehrfachbefristungen auf wenige Male beschränkt sind und sich dann das Arbeitsverhältnis in ein solches ohne Befristung umwandelt.


    Es ist schon irgendwie eigenartig, dass 13 Mal Bedarf für eine Befristung bestanden hat. Da ließe sich ja eigenlich schon überlegen, ob da nicht eine Festanstellung gerechtfertigt ist.


    Ich persönlich hätte mir das wahrscheinlich nicht gegeben und mich auch auf jeden Fall anderweitig nach einer Festanstellung umgesehen.


    Bin mal gespannt, was bei der Sache herauskommen wird.

  • Hallo,


    genauso sieht es derzeit aus.


    @ RIKO: Wenn die Befristung gezielt auf den Vertretungsfall ausgesprochen worden ist, besteht kein Anlass für den Arbeitnehmer, darauf vertrauen zu dürfen, dass es immer und immer wieder den nächsten Vertretungsfall geben wird. Aus diesem Grund ist man selbstverständlich immer sehr gut beraten, wenn man sich während der Befrsitung schon einmal nach einem neuen Job umschaut, sofern nicht vonseiten des AG andere Signale gesendet werden .


    Schönen Gruß,


    Jost

  • Hallo Till,


    das mag auf den ersten Blick makaber scheinen.


    Es ist aber so, wie es bereits blackjack geäußert hat. Wenn ein Sachgrund vorliegt, dann ist jede einzelne Befristung wirksam und das Arbeitsverhältnis wird mit dem Ablauf der zeitlichen Befristung beendet. Dem muss man sich bewusst sein, wenn man eine "Vertretungsstelle" antritt. Wenn man Glück hat, kann, wenn die Sterne günstig stehen, womöglich eine Festanstellung daraus werden. Zwanghaft herbeiführen kann man dieses Glück indes nicht.


    Aber wer weiß: VIelleicht sieht der EuGH das in der Zukunft auch wieder anders :)


    Schönen Gruß,


    Lorenz

  • .... Aber wer weiß: VIelleicht sieht der EuGH das in der Zukunft auch wieder anders



    Ich denke, dass man über diesen durchaus diskutieren kann. Nicht unter Zugrundelegung der derzeitigen Rechtslage, das ist schon durchaus richtig.


    Das BAG wird sich sicherlich auch seine Gedanken gemacht haben, denn "mal eben so" legt man eine Rechtsfrage dem EuGH ja auch nicht vor. Es wird in der Richtlinie ja auch von geeigneten Maßnahmen zur Verhinderung des Missbrauchs von Mehrfachbefristungen gesprochen. So wäre in diesem Fall uU denkbar gewesen, der Mitarbeiterin ab einer bestimmten Anzahl von Anstellungen entweder eine bevorzugte Möglichkeit in anderen Bewerberverfahren zu gewähren, auch wenn die Stelle vielleicht nicht gleichwertig ist, die betroffene Person sich damit aber einverstanden erklärt. Spielraum scheint eigentlich genug zu sein. Ich bin wahrlich kein Mathematiker aber da es so viele Male einen rechtfertigenden Sachgrund gegeben hat, ist schon davon auszugehen, dass in der Personalplanung durchaus Spielräume vorhanden sein müssten.


    Einfach mal abwarten :)


    Sascha

  • Hallo Sascha,


    da hast Du nicht unrecht. Andererseits kommt man auch damit nicht um die Überlegung umher, warum man sich nicht anstelle von 13 Anstellungen auf Vertretungsbasis irgendwann einmal um eine, nennen wir es einmal "normal" befristete Stelle oder eine Anstellung auf Vollzeit bemüht hat.


    Den Standardfall, den ich unter die Überschrift "Missbrauch der Befristung" packen würde, sind Fälle, in denen bewusst und systematisch versucht wird, faktisch festangestellte Mitarbeiter nicht in den Genuss einer unbefristeten Anstellung kommen zu lassen, um sich jener schnellmöglichst wieder entledigen zu können.


    Schönen Gruß,


    Jost

  • Hallo Jost,


    sicherlich richtig. Andererseits könnte man argumentieren: Wenn man schon 13 mal "gut genug" war, um die Vertretungsstellen zu besetzen ; ergibt sich daraus uU ein gewisses Vertrauen, in der Zukunft auch in den Genuss einer unbefristeten Stelle kommen zu dürfen, sofern Bedarf vorhanden ist ?

  • Hallo Lorenz,


    das sehe ich anders. Es hat der Person doch niemand in Aussichtz gestellt "fest" übernommen zu werden ? Sie ist diejenige stets vertretungsweise eingesprungen ist. Wahrscheinlich hat sie gehofft, dass es immer mal wieder so weitergeht und sie somit permanent damit durchs Leben kommt. 13 mal hat es ja auch funktioniert. Aber das Vertrauen darauf, dass immer mal wieder jemand ausfällt, ist in meinen Augen nicht schützenswert.


    Gruß,


    Sascha

  • Richtig.


    Allenfalls hätte sie darauf vertrauen können, auch wieder im nächsten Vertretungsfall aufgrund positiver Erfahrungen bevorzugt behandelt zu werden . Solange ihr keine Festanstellung in Aussicht gestellt worden ist, kann sie eigentlich steitg auf den Anfall des nächsten Vertretungsbedarf hoffen, nicht jedoch darauf, dass mit ihr eine Vollzeitplanstelle besetzt wird.


    Gruß,


    Jost

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