§ 87 I Nr. 10 BetrVG - unterschiedliche "Töpfe" für Funktionsbereiche

Hallo,

wir haben unser Forum umgezogen und auf Vordermann gebracht.
Wenn ihr dieses Forum bereits genutzt habt, müsst ihr erstmalig die Passwort vergessen-Funktion benutzen.

Wir freuen uns auf weitere, spannende Themen mit Euch
  • Hallo wertes Forum,


    ich habe eine Frage zu Verteilungsgrundsätzen beim Gehalt:


    Zunächst ein paar Eckdaten:
    1) Unser Arbeitgeber ist international in der IT-Branche tätig.
    2) Sitz ist nicht Deutschland!
    3) Die Organisation ist in länderübergreifende Funktions(Unternehmens)bereiche aufgeteilt.
    Stellt Euch vor: Entwicklung, Vertrieb, Outsourcing als Dienstleistung usw.
    Zur Verdeutlichung: Entwicklung wird länderübergreifend als ein Funktionsbereich gesehen, also Entwickler sitzen in Spanien, Frankreich, DEutschland usw. und repräsentieren die Funktion.
    4) Das Bezahlungsmodell beinhaltet feste und variable Anteile, wobei die variablen Anteile an Ziele geknüpft sind.


    Bislang war es so, dass international in allen Ländern eine gleiche Gehaltsrunde gefahren wurde. Also Spanien 3%, dann auch in Frankreich, Deutschland, Italien etc...


    Es gab in der Vergangenheit je Nation ein auf den Prozentsatz abgestelltes Budget, wo der BR in Deutschland für seine Leute maßgeblich bei der Verteilung mitgewirkt und sein MBR voll eingebracht hat. So kenn ich es, hat bislang prima geklappt.
    Nun soll das geändert werden: Budget gestaffelt nach Erfolg der Länder, also unter Umständen für Deutschland 1%, Frankreich 3% usw... Aber damit nicht genug, auch innerhalb der Funktionsbereiche sollen unterschiedliche Budgets bereit gestellt werden. Nach Vorstellung des Unternehmens z.B. für Sales Deutschland 1%, Sales Frankreich 5%, Entwicklung Deutschland 0%, Entwicklung Spanien 4% usw.


    Wir sehen uns plötzlich nicht mit einem Topf konfrontiert, über dessen Verteilung wir mitbestimmen. Sondern ein Teil der Mitbestimmung wird uns genommen, in dem von vornherein mehrere Töpfe bereitgestellt werden, sehr individuell gefüllt. Führt dazu, dass der BR bei der letztendlichen Verteilung zwar mitbestimmt, dass aber nur innerhalb des funktionsbezogenen Budgets passiert. Und somit einige MA leer ausgehen, da in ihrem Töpfchen nichts drin war, obwohl die gleich Funktion in einem anderen Land etwas bekommt. So was schränkt die Mitbestimmung ein, da für Funktionsbereiche die Budgets einseitig von aussen vorgegeben werden.


    Unsere Vorstellung: Zusammenfassung aller deutschen Töpfchen in ein gemeinsames, über deren Verteilung dann der BR wieder mitbestimmt.


    Suche dazu den Hebel. Hat jemand ne zündende Idee?
    Oder sind die einzelnen Gehaltserhöhungstöpfe von vorn herein in Deutschland gar nicht definierbar?


    LG Jens

  • Hallo,


    das BetrVG basiert seiner Anwendung nach auf dem sog. Territorialitätsprinzip. Das bedeutet, dass wenn der Betrieb in Deutschalnd liegt, das BetrVG Anwendung findet. Wichtig ist, dass man die Begriffe Betrieb und Unternehmen auseinanderhält. Das BetrVG gilt für inländische Betriebe ausländischer Unternehmen (GK-Kraft/ Franzen, Rdnr. 5.) . Damit findet § 87 I Nr. 10 BetrVG schon einmal Anwendung.


    Was § 87 I Nr. 10 BetrVG betrifft:s Der Gesetzeswortlaut ist recht weitläufig gefasst. Nach DKK-Klebe, § 87, Rdnr 206. gehören auch Bonuszahlungen nach dem Erreichen entsprechender Arbeitsleistungen gemäß aufgestellter Zielgvereinbarungen mit dazu.


    Ferner ist die eigentliche Lohngestaltung im Rahmen der Ausgestaltung der betrieblichen Lohnfindung auch mitumfasst. ( BAG 28.3.06 AP Nr. 128/ zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung ;)


    Für Ergänzungen wäre ich stets zu haben ;)

  • Hallo,


    Zunächst ist festzustellen, dass es sich um einen kollektiven Tatbestand handelt und somit §87 Abs.1 Nr.10 BetrVG zieht. Das dürfte durch die Bezugnahme auf Mitarbeitergruppen unstrittig sein.


    Dann handelt es sich in unserem Fall um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers. Somit entscheidet er allein über den Dotierungsrahmen. Damit ist das MBR des BR eingeschränkt.


    Gefunden habe ich in dem Zusammenhang:
    =============================================================



    Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG und der

    Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit aus § 2 Abs. 1 BetrVG werden



    verletzt, wenn der Arbeitgeber

    eigene Verteilungsgrundsätze vorgibt, über die erkeine Verhandlungen zulässt, sondern für den Fall abweichender Vorstellungen der



    Arbeitnehmervertretung von vornherein eine mitbestimmungsfreie Vollanrechnung
    vorsieht (BAG – Urteil vom 26.05.1998 – 1 AZR 704/97 ).
    ============================================================
    Das gilt auch im Zusammenhang mit "freiwilligen Leistungen".


    Insofern sehe ich es durchaus als realistisch an, das wir einer funktionsbezogenen Vorgabe der Töpfe Paroli bieten können, notfalls über rechtliche Schritte. Das Volumen selbst, also die landesspezifische kumulierte Summe (Höhe des Topfes) kann er aber unserer Mitbestimmung entziehen.
    Mit Gruß von der Küste - Jens

  • Hallo,


    Du hast mit Deinen Ausführungen insoweit recht.


    Du musst nur ein wenig aufpassen, dass Du nicht vom Bereich Lohngestaltung auf die konkrete Lohnhöhe abrutschst. Denn genau diese ist vom MBR nicht umfasst. So sieht es das herrschende Schrifttum und auch das BAG . Dementsprechend sollte es bei den Verhandlung wirklich nur um die Bemessungsgrundlagen gehen, weniger bzw gar nicht darum ob es nun gerecht ist, dass die eine Landesvertetung mehr Prozente bekommt als die andere.


    Schönen Gruß,


    Jost

  • Hallo,
    bei der Verteilung des Budgets hat der Betriebsrat in der Tat ein Mitbestimmungsrecht, die Frage ist nun; Wo hört die Verteilung auf und wo fängt man an über die Höhe zu sprechen?! Die Frage was verteilt wird, ist Arbeitgebersache! Theoretisch auch möglich wäre daher auch eine "0"-Runde. Also ist Vorsicht geboten bei der Verhandlung mit dem Arbeitgeber.
    Die Beurteilung, ob Ihr an den Töpfen nach Funktionsbereichen etwas ändern könnt ist schwierig. Ihr solltet Euch einen Sachverständigen zur Beratung reinholen.
    Viele Grüße,
    Eure Sybille Wasmund (Moderatorin)

  • Hallo,


    das dürfte in keinem Fall schaden. Desto mehr man versucht, die beiden Komponenten auseinanderzuhalten, desto mehr stellt amn am Ende des Versuches fest, dass man sie doch wieder miteinander vermengt hat ;(

  • Hallo Jost,


    das ist generell schwer. Vor allem weil man auch dahingehend aufpassen muss, dass man nicht zu voreilig auf Nr. 10 zu sprechen kommt. Ansonsten besteht die Gefahr, dass man die Anderungen Regelungen im Rahmen des MBR außer Acht lässt, die Vorrang haben.



    Gruß,


    Lorenz

  • Hallo Lorenz,


    stimmt; einem ungeübten Auge fällt der Tatbestand der Nr. 10 womöglich sehr schnell auf, da er recht offen und simpel formuliert ist. Man findet sofort das passende Schlagwort, was auf so viele Bereiche passt sodass man sich verleiten lässt, sich vorschnell auf diesen Bereich einzuschießen.


    Schönen Gruß,


    Jost

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!