Anfechtung wegen falscher Angaben im Arbeitsvertrag

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  • Hallo,


    wenn ein Kollege beim Bewerbungsgespräch nicht die Wahrheit gesagt hat, kann der Vertrag angefochten werden gem. § 123 BGB. Ein Recht zur Lüge kommt ihm dabei auch nicht zugute. Nun ist es bei ihm letztlich so, dass der schon seit mehreren Jahren im Unternehmen gearbeitet hat. Aufgrund diverser Zwistigkeiten mit der Geschäftsführung ist er zu einem Gespräch geladen worden, in dem er zu seinen Falschangaben eine Stellungnahme abgeben soll. Er hat die Unrichtungkeit auch zugestanden .


    Kann die (möglicherweise in den nächsten Tagen vorgenommene) Anfechtung mit dem Argument für unwirksam erklären, dass der Mitarbeiter seit mehreren Jahren zur Zufriedenheit aller im Unternehmen tätig war ? Ach ja: Der MA hat die Tatsache verschwiegen, dass er bereist wegen Betruges vorbestraft ist.


    Schönen Gruß,


    Lorenz

  • Hallo Lorenz,


    der von Dir geschilderte Fall ist nicht einfach zu beantworten. Letzte Verbindlichkeit wird hier wahrscheinlich lediglich eine Beratung durch einen Rechtsanwalt bringen können. Es ist so, dass zwar die Möglichkeit besteht, dass der Grund, der zur Anfechtung berechtigt, vom Arbeitgeber vor dem Hintergrund des § 242 BGB nicht mehr verwendet, wenn sich der Arbeitnehmer im Unternehmen "positiv etabliert" hat. Andererseits handelt es sich hier um eine Einzelfallentscheidung. Konkrete Grundsätze zur einfachen Handhabe sind nicht existent. Auch wenn mehere Jahre vergangen sind und der Arbeitnehmer sich nichts zu Schulden hat kommen lassen, bedeutet dies nicht automatisch, dass das Bundesarbeitsgericht zu einer Anwendung von § 242 BGB gelangt. Vielmehr sind die Umstände des Einzelfalles, wobei die berufliche Position und auch der Verantwortungsbereich, der dem Arbeitnehmer übertragen worden ist, eine nicht ungewichtige Rolle spielt, maßgebend.
    So wie Du es schilderst, scheint die Angelegenheit erst jetzt ans Licht gekommen zu sein, sehe ich das richtig ? Ansonsten wäre über eine Verfristung i.S.v. § 124 I BGB nachzudenken.


    Schönen Gruß,


    Tom

  • Richtig Tom , diesbezüglich irren viele. Die Tatsache, dass die Sache jahrlang nicht aufgefallen ist, heisst noch lange nicht, dass es etwas wie eine Verjährung der Problematik eingetreten ist. Eine Verwirkung des Anfechtungsrechts wird immer auf den Einzelfall gemünzt. Da der AG in diesem Fall der Leidtragende ist, wird ihm auch mehr Freiraum bei der Beurteilung gelassen als auf die Belange des Arbeitnehmers einzugehen.

    Gewissheit kann hier nur die konkrete Kenntnis und Berücksichtigung aller einzelnen Umstände bringen.


    Gruß,


    Stelko

  • Hallo Björn,


    eine pauschale Antwort gibt es auf deine Antwort nicht. Bei den sogenannten unzulässigen Fragen (klassisches Beispiel ist die Frage eine potentiellen AG nach einer Schwangerschaft der Bewerberin) besteht ein "Recht zur Lüge". Ob eine solche vorliegt, lässt sich allerdings nur einzelfallbezogen klären.
    Hast du einen bestimmten Fall vor Augen?


    Freundliche Grüße,
    F.Celeste

  • Hallo.


    Also, selbst wenn sich der MA über Jahre als zuverlässiger AN "bewährt" hat, dann ist für die Anfechtungsmöglichkeit nach §123 BGB der Zeitpunkt der Kenntnisnahme der arglistigen Täuschung bedeutsam. Innerhalb eines Jahres hat dann der Vertragspartner die Möglichkeit (Gestaltungsrecht!), seine Willenserklärung durch Anfechtung nichtig zu machen.
    Im Fall deines MA könnte es aber ja durchaus sein, dass dem AG die bisherigen Leistungen und vor allem die Aussicht, auf diese auch in Zukunft zurückgreifen zu können, wichtiger sind als das Risiko, dass es bedeutet, eine vorbestrafte Person zu beschäftigen...


    Gruß,
    Ruben

  • Hallo nochmal, Björn!


    Ich denke auch, dass eine Vorstrafe eine der möglichen Erfahrungen des Lebens ist, ohne die man gut auszukommen kann...
    Die Frage der Zulässigkeit bestimmter Fragen ist eng verknüpft mit der Stelle, auf die sich beworben wird. So dürfte es bei einem Bewerbungsgespräch für eine Stelle als Bankangestellter von erheblicher Bedeutung (und somit zulässig) sein, ob der potentielle AN schon einmal wegen einer gegen fremdes Vermögen gerichteten Straftat verurteilt wurde (wie im hier geschilderten Fall zB wegen Betrugs, wobei es hilfreich wäre, wenn uns Lorenz einmal einweihen könnte, was für eine Position der Mitarbeiter bekleidet), während dies bei einem Gabelstaplerfahrer durchaus als unzulässige Frage bewertet werden könnte.


    Freundliche Grüße,
    F.Celeste

  • Hallo,


    ja, so wird das in der Rechtsprechung gesehen. Das habe ich auch eruieren können. Das macht ja auch insoweit Sinn, als dass ein wegen Betruges Verurteilter an einer Maschine, an der das Material sowieso datentechnisch abgezählt ist, wenig Unheil anrichten kann.


    Anders sieht das z.B. wieder aus, wenn man fremde Kassen zu verwalten hat.


    Oder ganz mieser Fall: Jugendbetreuer, der bereist wegen entsprechender Sexualdelikte verurteilt worden ist ....


    Bzgl. der Ausführungen zur Dauer und der Möglichkeit einer Verwirkung, wenn ich dies aus den Beiträgen nun richtig interpretiert habe, bedanke ich mich herzlich bei Euch. Das ist natürlich ziemlich tricky; da werde ich selber noch einmal nachhaken müssen.


    Vielen Dank schon einmal,


    Lorenz

  • Hallo,


    wo wir gerade beim Thema Ergänzung sind.


    In der arbeitsrechtlichen Literatur wird des öfteren vom Recht auf Lüge gesprochen . Das kann man sehr leicht dahingend missverstehen, dass es vielleicht in Ordnung wäre, generell zu Lügen.
    Das stimmt so jedoch nicht: LÜgen ist lediglich dann erlaubt, wenn der Arbeitgeber eine Frage stellt, die er im Rahmen seines Fragerechts nicht hätte stellen dürfen. Da man hier weiß, dass derjenige, der sagen würde : " Ich kenne meine Rechte - diese Frage ist unzulässig - und aus diesem Grund nehme ich meinerseits das mit zustehende Recht wahr, eben diese nicht zu beantworten " im Wettbewerb um die Stelle zienlich weit außen vor wäre, wird hier gesagt, dass er ausnahmsweise die Frage mit einer Lüge beantworten darf. Alles andere wäre ja auch ungrecht : Ansonsten könnte jeder AG seinen Vorteil nutzen und Fragen stellen, wie er will. Ob auf juristischer Ebene dies darf oder nicht, wird ihn wenig interessieren. Mit dem Recht, zugunsten des Bewerbers, nicht bei der Wahrheit bleiben zu müssen, wird dies nun weitgehend relativiert: Ganz getreu dem Grundsatz: Feuer mit Feuer bekämpfen :)


    In den hier zur Rede stehenden Betrugsfällen wiederum ist das nicht so einfach - hier gelangt man ja erst durch eine Abwägung der Einzelumstände dazu, was dennn jetzt genau erlaubt ist und was nicht . Deshalb bewegt sich jener, der hier nicht bei der Wahrheit bleibt auf ziemlich dünnem Eis.


    In diesem Fragebereich ist das Recht ja auch nicht wirklich entstanden. Das waren eher Fälle, in denen Frauen ziemlich intime Fragen in puncto sexueller Einstellungen, wechselnder Lebenspartner, Freizeitgestaltung, der Absicht, irgendwann einmal Kinder haben zu wollen oder ob beabsichtigt ist, jemals zu heiraten etc. etc. etc.... gestellt worden sind . Das geht den Chef natürlich alles gar nichts an.

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