Vertrauensarbeitszeit

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  • Hallo,


    mein Arbeitgeber hat ein neues Zauberwort entdeckt: Vertrauensarbeitszeit.


    Das Modell halt ich persönlich für gar nicht mal so schlecht. Es geht hier um die Arbeitszeit eines Konstrukteurs. Diese soll nicht nach festen Stunden festgesetzt werden, sondern "projektspezifisch". Er kann, sofern er will von zu Hause aus arbeiten und es bestehen auch keine Mindestanforderungen in dem Sinne, dass auf jeden Fall XY-Stunden zu arbeiten ist. Die einzige Vorgabe lautet: Die jeweiligen Konstruktionspläne müssen zu einem festgesetzten Datum fertig sein. Bzgl. der Erfüllung der Vorgaben und andererseits der Einhaltung der Arbeitszeiten (auch wenn sie nicht überprüft werden ), ist der AN selber verantwortlich. Da § 87 Nr. 2 tangiert ist und zudem die Gefahr besteht, dass § 87 Nr. 3 BetrVG vollständig ausgehebelt oder umgangen wird, besteht das Recht des BR sowohl über dieses Modell als auch der Modalitäten desselben mitzubestimmen. Insoweit sind wir uns auch mit dem AG einig.


    Welche Erfahrungen haben andere mit dem Model bereits gesammelt ? Besteht die Gefahr in der Praxis tatsächlich dahingehend, dass auf diese Weise vermehrt Überstunden zustandekommen ? Worauf müssen wir bei der Einrichtung der BV diesbezüglich achten ? Welche Instrumentarien sind am besten geeigent, Missbrauch gar nicht erst entstehen zu lassen ?

  • Hallo Lorenz,


    da kann ich nur aus Beobachtersicht antworten.


    Meine Frau hat eine 41-Stundenwoche auf Vertrauenszeitbasis.
    Meist arbeitet sie mehr, will sie aber einen Gleittag, stellt sich ihr Chef quer. Das ganze ist also ein zweischneidiges Welches.


    Aber: Das ArbZG schreibt vor, dass die Mehrarbeit dokumentiert werden muss. Von wem, ist egal.


    Gruss
    Björn

  • Hallo allerseits,


    ich bin selber nur am Rande mit dieser Arbeitsform in Berührung gekommen und zwar durch einen Bekannten. In diesem Fall war es mehr als offensichtlich, dass der Arbeitgeber damit die Hoffnung verfolgte, eine billige Arbeitskraft gewinnen zu können. Da man ja erfahrungsbedingt in Ungefähr weiß´wie viel Zweit für ein Projekt zu veranschlagen ist, setzt man die Latte für die Zielvorgaben einfach so hoch, dass diese innerhalb der regulär dafür vorgesehenen Zeit eigentlich nicht zu schaffen ist. Außer: Man lässt die QUalität der Arbeit ein wenig schleifen und riskiert damit sogleich seien Job.


    Mein Bekannter hat sich das nicht lange mit angesehen und hat auch zeitnah den BR mit der Bitte konsultiert, sich dort einmal kundig zu machen, da die Erwartungshaltung wirklich auf keine Kuhhaut ging. Ohne die Gewähr auf Vollständigkeit erheben zu wollen, sollten sinnvollerweise folgende Punkte mit enthalten sein:


    - der Punkt wurde bereits von bjoern genannt - und ist meiner Meinung nach der wichtigste überhaupt: Es muss festgelegt ssein, dass die Arbeitszeit dokumentiert wird. Schlichtweg auf den Projekterfolg abzuzielen geht also schon einmal gar nicht ...


    - darüber hinaus wurde bei mienem Bekannten sofort eine Schlichtungsstelle benannt,. welche zwischen dem AG und dem BR zu vermitteln hat, wenn (wieder einmal) Streitigkeit über die Zeiterfassung oder andere Fragen entstanden ist.


    - da Vertrauen gleichermaßen oft auch Misstrauen hervorruft, sollte in der BV ein Einsichtsrecht zugunsten des BR verankert sein. Er sollte stets die Möglichkeit hat, sich das Stundenkonto ansehen zu können.


    - was meinem Bekannten auch gut gefällt: Von der freien Zeiteinteilung ist ein wenig abgewichen worden. Man hat sich mit dem AG auf bestimmte Zeiten verständigt, zu denen man in jedem Fall im UNternehmen anzutreffen ist. So können beide ihren Zeitplan aufeinander ausrichten und es entsteht kein Stress am Handy, wenn sich weitere Dinge ergeben, die es vielleicht noch zu besprechen gilt.



    Das sind die Punkte, die ich spontan aus der Erinnerung abrufen konnte. Ich denke mal, dass sich so der meiste Stress vermeiden lassen sollte.


    Schönen Abend,


    Sascha

  • Hallo allerseits,


    ein weiterer Irrum der Arbeitgber ist (zmindest in unserem Unternehmen gewesen): Die Aufzeichnungen der Arbeitszeit müssen genauso lange aufbewahrt werden, wie es auch für die anderen Arbeitnehmer nach § 16 II ArbZG in Bezug auf arbeitszeitliche Überschreitungen der Fall ist. Das BAG, NZA 2003, S 1348 hat dieses so festgesetzt. Sobald ein Personaler oder auch Arbeitgeber also meinen sollte, dass man bei diesem Arbeitszeitmodel die Nachweisführung nicht so intensiv und nachhaltzig betreiben müsse, irrt also gewaltig ;)

  • Hallo Sascha,


    bei der Kontrolle müssen halt vor allem die MA eingebunden werden. Denn die sind es, zu deren Lasten der einsetzende Schludrian ginge. Wenn man den Leuten das erklärt kommt zuerst, naja, das wird schon gehen, nach einiger Zeit merken sie aber, dass sie doch lieber besser auf ihre Zeiten aufpassen. (Irgendwann summiert sich das "Geschenk" an den Arbeitgeber nämlich.


    Je nachdem, wo die Arbeitszeit dokumentiert wird (wenn bei Vertrauensarbeitszeit auch nur die Mehrarbeit), hat es der BR leichter oder nicht, die Überwachung vorzunehmen.


    Bei unserer Gleitzeit wird Interflex als Zeiterfassungssystem verwendet, der BR hat einen Zugang, mit dem er sich das Stundenkonto eines MA ansehen kann (nicht die gestochenen Zeiten), sowie Überschreitungen unserer Zonen in Listen auswerten kann. DIes ist der entsprechenden BV so geregelt und wird praktiziert.


    Wie gesagt, bei Vertrauensarbeitszeit wird das ungleich schwieriger.


    Gruss
    Björn

  • Hallo bjoern,


    ich befürchte, dass Du diesbezüglich recht haben wirst. Irgendwie ist es ja auch durchaus verständlich, dass die Mitarbeiter erst einmal ziemlich happy über die flexibleren Arbeitszeiten sind und erst später registirieren, dass die ganze Sache auch durchaus einen Haken hat.


    Nun gut, insoweit ist man selbstverständlich auf die Kooperation der Kollegen angewiesen. Da kommt man nicht umher. Andererseits wird sich das sicher, wie Du bereits sagst, von selbst ergeben, wenn sie merken, dass sie letztlich Geld draufzahlen als dass sié etwas gewinnen.


    Schönen Gruß,


    Sascha

  • Hallo Sascha,


    ich denke nicht, dass dies lange auf sich warten lassen wird. Sobald erkannt wird, dass dieses Zeitmodell eigentlich lediglich darauf ausgerichtet ist, mehr Stunden aus der Mitarbeiterschaft herauszupressen als gem. ArbZG überhaupt zulässig wäre, wird man dem BR bei den Versuchen, möglichst strikte Beschränkungen zu treffen, sicherlich ganz Ohr sein ;)

  • Hallo Jost,


    da hast Du recht - wer lässt sich auch schon gerne "Über's Ohr hauen" ? Gerade der Bereich der Vertrauensarbeitszeit birgt da wirklich einiges an Missbrauchsmöglichkeiten. Eine konkrete BV wird in dene meisten Fällen einen RIegel vor diese Machenschaften schieben können. Das dürfte sich auch durchaus positiv auf das Betriebsklima auswirken.


    Schönen Gruß,


    Sascha

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