vereinfachtes Wahlverfahren aber nach der Wahleinladung wird ein MA auf einer Außenstelle SB

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  • im Augenblick sind wir deutlich unter 50 SB.
    Was passiert, wenn die Einladung zur Wahlversammlung bereits aushängt und ein MA auf einer Außenstelle über 60 km entfernt dann ihre SB erhält. Kann dann das einfache Wahlverfahren beibehalten werden oder muss das förmliche Wahlverfahren neu eingeleitet werden.

  • Hallo CSchmid,


    ich habe dazu ein Urteil des BAG vom 7.4.2004 gefunden: ( Aktenzeichen: 7 ABR 42/03 )


    Darin wird geschrieben:


    " Die Voraussetzungen für ein vereinfachtes Wahlverfahren sind nicht gegeben und die Wahl der Schwerbehindertenvertretung ist unwirksam, wenn Teile des Betriebs räumlich so weit auseinander liegen, dass ein förmliches Verfahren, wie es die §§ 1 bis 17 SchwbVWO beschreiben, geboten ist. Neben der geringen Anzahl von Wahlberechtigten muss für ein vereinfachtes Wahlverfahren durch die räumliche Nähe der Betriebsteile eine Kenntnis der Wahlberechtigten über die Verhältnisse des Betriebs in seiner Gesamtheit, insbesondere über die wählbaren Belegschaftsmitglieder gewährleistet sein. Das ist nicht mehr der Fall, wenn persönliche Kontaktmöglichkeiten nur unter Aufwendung von Kosten und Reisezeiten von mehr als einer Stunde denkbar sind. "



    Jetzt lässt sich sicher darüber streiten, ob die Distanz von 60 Kilometern, sofern eine Autobahn oder gut ausgebaute Bundesstraße in der Nähe ist, auch in unter einer Stunde zu bewältigen wäre. Dererlei Gedanken würde ich aber wieder verwerfen. Sinn und Zweck der Vorschriften ist es, dass die Kollegen sich untereinander kennen; nicht nur vom Sehen auf einer Weihnachtsfeier sondern vielmehr einigermaßen gut kennen. Das macht ja auch durchaus Sinn. Wer "kauft" schon gerne die Katze im Sack ? Man will ja schon recht genau wissen, wem man in concreto seine Stimme gibt und ob es nicht unter Umständen einen Kandidaten gibt, der der persönlichen AUffassung nach besser in das Amt passt.


    Die Vorschrift des § 94 VI S.3 SGB IX ist demnach von ihrem Aussagegehalt ernst zu nehmen. Wenn es sich (wie hier) nicht lediglich um einen formalen Verstoß handelt, befindet sich das später erlangte Wahlergebnis schnell im anfechtbaren Bereich. Aus diesem Grunde würde ich in diesem Fall auf das formale Verfahren umschwenken, denn wenn es zur Anfechtung kommt, sieht es für den Bestand der Wahlergebnisse nicht gut aus, befürchte ich .

  • Vielen Dank. Mir war vorher nicht klar, dass es sich hier um eine "und" Regelung handelt.



    Nach § 18 der Wahlordnung Schwerbehindertenvertretungen (SchwVWO) ist die Schwerbehindertenvertretung in einem vereinfachten Wahlverfahren zu wählen, wenn ein Betrieb oder eine Dienststelle nicht aus räumlich weiter auseinander liegenden Teilen besteht und dort weniger als 50 Wahlberechtigte beschäftigt sind.

  • Hallo,


    diese beiden Aussagen widersprechen sich nun doch, oder irre ich ?



    § 18 sagt ja; das BAG wieder verfährt nach anderen Grundsätzen ? Wo genau ist der Unterschied ?


    Wäre nett, wenn mir einmal jemand das Brett vom Kopf nehmen könnte :)


    Schönen Gruß,


    Jost

  • Hallo Jost,

    diese beiden Aussagen widersprechen sich nun doch, oder irre ich ?
    § 18 sagt ja; das BAG wieder verfährt nach anderen Grundsätzen ? Wo genau ist der Unterschied ?
    Wäre nett, wenn mir einmal jemand das Brett vom Kopf nehmen könnte :)

    *Brett wegnehm*


    Das BAG verfährt nach den gleichen Grundsätzen. Im zitierten § der Wahlordnung steht "wenn sie nicht räumlich auseinanderliegen".


    Das BAG formuliert hier genau umgekehrt, sagt aber das gleiche aus.


    Zitat BAG: "Die Voraussetzungen für ein vereinfachtes Wahlverfahren sind nicht gegeben und die Wahl der Schwerbehindertenvertretung ist unwirksam, wenn Teile des Betriebs räumlich so weit auseinander liegen, dass ein förmliches Verfahren, wie es die §§ 1 bis 17 SchwbVWO beschreiben, geboten ist."


    Das BAG führt aus, dass das vereinfachte nicht geht, wenn es räumlich weit auseinanderliegt.


    Die Wahlordnung führt aus, dass vereinfacht zu wählen ist, wenn nicht räumlich entfernt.


    Du siehst, beide sagen inhaltlich das gleiche, das BAG formuliert nur andersherum.


    Das habe ich bereits bei vielen Entscheidungen auch anderer Gerichte festgestellt. Man muss sich meist die Formulierung komplett zerpflücken. In den Entscheidungen dürfte das vor allem daher rühren, was in der klageschrift steht, denn das Gericht bezieht sich ja immer auf den konkreten Fall.


    Gruss
    Björn

  • Hallo bjoern,


    vielen Dank ; so wie Du es darstellst, ergibt das Ganze für mich einen Sinn.


    Ich hoffe einmal, dass ich nicht mehr allzu viele Bretter ins Forum einschleppen werde ; andererseits: vielleicht reicht es ja mit der Zeit aus für einen virtuellen Laminatboden ? :rolleyes: ; wir werden sehen, was die Zukunft so mit mir anstellen wird ;)

  • Hallo Jost,


    interessante Idee, wir legen hier im Forum Parkett. :) Dann sieht der Hintergrund nicht mehr so einfarbig weiss aus.


    Das mit dem Einschleppen der Bretter: Wie ich neulich schon schrieb, die Urteile sind ja immer unter Betrachtung des verhandelten Einzelfalles entstanden, die Formulierung ist deshalb häufig verquer. Bedenke, die werden von Juristen verfasst. :)


    In einem meiner Seminare habe ich gelernt, wie wie Juristen Gesetze auf ihr Zutreffen für einzelne Sachverhalte prüfen.


    Die nehmen den ersten Halbsatz einen evtl. passenden Paragraphen und setzen dafür + oder -, dann nehmen sie den nächsten usw. Irgendwann haben sie das Teil so zerpflückt, dass sie wissen, ihre Meinung ist belastbar, oder sie brauchen eine andere Idee. :)


    Wenn Du das Zerpflücken mit obigem Sachverhalt probierst, wirst Du auch in beiden Fällen zum gleichen (richtigen) Ergebnis kommen.


    Gruss
    Björn


  • In einem meiner Seminare habe ich gelernt, wie wie Juristen Gesetze auf ihr Zutreffen für einzelne Sachverhalte prüfen.


    Die nehmen den ersten Halbsatz einen evtl. passenden Paragraphen und setzen dafür + oder -, dann nehmen sie den nächsten usw. Irgendwann haben sie das Teil so zerpflückt, dass sie wissen, ihre Meinung ist belastbar, oder sie brauchen eine andere Idee. :)

    Hallo Bjoern,


    ich finde das von dir geschriebene wirklich interessant (die Denkweise von Juristen ist für mich auf jeden Fall in einem böhmischen Dorf erfunden worden ;) ), allerdings verstehe ich leider deine "Anleitung" nicht ganz. Könntest du vielleicht noch einmal ganz genau erklären, wie du das mit den Paragraphen meinst?
    Wäre super! :thumbup:


    Danke!
    Karsten

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